Exkursion zum Tagebau Hambach am 12.10.2024

Im Satellitenbild sind die Tagebaue westlich von Köln als Kraterlandschaft erkennbar: Hambach ist das größte Loch Europas. Im Norden befinden sich Garzweiler I/II, im Westen Inden. Die Kohle wird in den Kraftwerken Neurath und Niederaußem verbrannt.
Im Satellitenbild sind die Tagebaue westlich von Köln als Kraterlandschaft erkennbar: Hambach ist das größte Loch Europas. Im Norden befinden sich Garzweiler I/II, im Westen Inden. Die Kohle wird in den Kraftwerken Neurath und Niederaußem verbrannt.
Der Hambacher Braunkohlentagebau, Panoramablick vom Aussichtspunkt Terra Nova 1: Nur bei den dunklen Bodenschichten rechts im Bild handelt es sich um Braunkohle. Alle helleren Erdschichten sind Abraum. Foto: Ralf Bartsch
Der Hambacher Braunkohlentagebau, Panoramablick vom Aussichtspunkt Terra Nova 1: Nur bei den dunklen Bodenschichten rechts im Bild handelt es sich um Braunkohle. Alle helleren Erdschichten sind Abraum. Foto: Ralf Bartsch
Foto: Ralf Bartsch
Foto: Ralf Bartsch

Die Gemeinde Eitorf und die BürgerEnergie Rhein-Sieg eG luden Eitorfer Bürger:innen am 12. Oktober 2024 zu zwei Blicken hinter die Steckdose: zur Stromerzeugung aus fossiler Braunkohle und aus Windkraft. Am Vormittag ließen wir am Aussichtspunkt Terra Nova 1 den Braunkohletagebau Hambach der RWE Power AG auf uns wirken. Riesige selbstfahrende Schaufelradbagger, die halb so groß sind wie der Kölner Dom, bauen bis über 400 Meter tief Abraum und Braunkohle ab, was sogar im Satellitenbild als Kraterlandschaft westlich von Köln sichtbar ist. Die Braunkohle wird über ein RWE-eigenes Transportnetz in den nahe gelegenen Kraftwerken Neurath und Niederaußem verbrannt, um Strom zu erzeugen. Dabei verbindet sich die vorwiegend aus Kohlenstoff (chemisches Zeichen: C) bestehende Braunkohle mit Luftsauerstoff (chemisches Zeichen: O2) zu Kohlendioxid (CO2).

 

Deutscher Strommix: Im Jahr 2023 stammten noch 17 Prozent des erzeugten Stroms aus der Braunkohle-Verfeuerung. Foto: Ralf Bartsch.
Deutscher Strommix: Im Jahr 2023 stammten noch 17 Prozent des erzeugten Stroms aus der Braunkohle-Verfeuerung. Foto: Ralf Bartsch.

Der physikalische Weg zur Stromerzeugung ist dabei sehr lang: Die Braunkohle stammt aus 5 bis 25 Millionen Jahre alten Bäumen und Sträuchern (Miozän) – die abgestorbenen Pflanzen konnten sich damals nicht zersetzen, da sie unter Wasser keinen Kontakt zu Luftsauerstoff hatten. Ähnlich wie bei Moorleichen wurden die Pflanzenreste konserviert und durch aufliegende Erdschichten hohem Druck ausgesetzt, was den Prozess der Inkohlung ermöglichte. Was damals unter Wasser nicht möglich war, holen wir Menschen heute durch die Verbrennung mit Luftsauerstoff in extremer Geschwindigkeit im Kraftwerk nach: Wärmeenergie und CO2 werden frei. Die Hitze wird im Kraftwerk genutzt, um Wasser zu verdampfen. Der Wasserdampf treibt Turbinen an, die einen Generator drehen, welcher diese Rotationsenergie in elektrische Energie umwandelt. Der Wirkungsgrad älterer Braunkohlekraftwerke liegt etwa bei 34 Prozent – die neueren BoA-Anlagen („Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik“) bei 43 Prozent. Die restliche Energie bleibt ungenutzt. Im Jahr 2023 kamen 17 Prozent des bundesdeutschen Stroms aus der Braunkohleverstromung - insgesamt noch mehr als 40 Prozent aus allen fossilen Brennstoffen zusammen. Ein direkter Treiber der Klimakrise.

Enteignung, Naturzerstörung, Gesundheitsgefahren

Foto: Ralf Bartsch
Foto: Ralf Bartsch

Anders als die Steinkohle im Ruhrgebiet, wird die Braunkohle im Rheinischen Braunkohlerevier "übertage" gefördert - Grund: Die Deckschichten bestehen aus Lockergestein. Dieses Tagebau-Verfahren bedingt, dass über 6000 Hektar Kulturland zerstört wurde. Tausende Menschen wurden enteignet und umgesiedelt (für Windkraft oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen gibt es so etwas nicht). Die Autobahn A4 wurde nach Süden verlegt. Auch viele noch bestehende Orte rund um den Tagebau veröden, Grundstücks- und Gebäudepreise sinken - eine Art schleichender Enteignung.

 

Um die mehr als 400 Meter tief liegende Braunkohle abbauen zu können, darf in den Tagebau kein Grundwasser eindringen. Dazu hat RWE ein Netz aus mehreren Hundert Brunnen aufgebaut, die Grundwasser hoch pumpen ("Sümpfung"). Der Sümpfungstrichter reicht im Norden bis hinter Mönchen-Gladbach, im Westen bis zur belgischen Grenze und im Süden bis Euskirchen - im Bereich des Hambacher Tagebaus ist das Grundwasser heute auf rund 500 Meter Tiefe abgesenkt. Es wird Jahrhunderte dauern, bis ein einigermaßen normaler Wasserhaushalt wiederhergestellt ist.

 

Durch den Tagebau wurde die natürliche Schichtung von Gestein und Grundwasserleitern zerstört. Dadurch gelangen Schwefelverbindungen aus der Tiefe an die Erdoberfläche und verwittern - bei Niederschlag oder bei der geplanten Flutung der Tagebaulöcher ab 2030 führt dies zur Bodenversauerung. RWE versucht, durch Kalkungen, zum Teil sogar durch Einlagerung von Kraftwerksasche, gegen die drohende Versauerung anzugehen.

 

Der Tagebau und die Kohleverbrennung bringen zudem gesundheitliche Gefahren mit sich: Gegen die hohe Feinstaub-Belastung musste RWE im Tagebau auf der Abraumseite Bäume pflanzen, auf brachliegenden Flächen Gras aussäen, Zufahrten befestigen und Böschungen mit Wasser berieseln.

 

Aus den Schornsteinen der Kohlekraftwerke entweichen giftige Quecksilber-Emissionen in die Luft und verteilen sich mit Wind und Regen großflächig. Quecksilber (Hg) kann bei Kindern Gehirnschäden hervorrufen und auch bei Erwachsenen noch Nervenschäden verursachen. Vor allem, wer viel Fisch isst, nimmt viel Quecksilber auf. Denn Hg reichert sich entlang der Nahrungskette an. Auch die Luftschadstoffe Stickoxide und Schwefeloxide entweichen bei der Braunkohle-Verbrennung in die Luft. Stickoxide können Atembeschwerden hervorrufen, die Lunge schädigen und die Infektabwehr beeinträchtigen. Schwefeloxide reizen Augen, Nase, Rachen und Lunge und können Schleimbildung und Asthmaanfälle verursachen.

 

Rheinwassertransportleitung

Die Tagebaulöcher von Garzweiler und Hambach sollen ab 2030 geflutet werden - mithilfe der Rheinwassertransportleitung, deren Bau bis 2029 fertiggestellt sein soll. Ein Entnahmebauwerk bei Dormagen-Rheinfeld wird Wasser aus dem Rhein pumpen und es über insgesamt 45 Kilometer lange unterirdische Wasserleitungen in die beiden Tagebaue leiten. Da das Hambacher Loch mit bis zu 400 Metern deutlich tiefer ist als die Garzweiler-Löcher, sind für die Flutung in Hambach zwei Wasserleitungen vorgesehen, für Garzweiler nur eine. Insgesamt wird die Flutung 40 bis 60 Jahre dauern. Eine Unsicherheit ist dabei, wieviel Rheinwasser in Zukunft im Sommer entnommen werden kann, da der Rhein im Fall von Klimakrise-bedingten Dürreperioden nur wenig Wasser führt.

 

Der BUND befürchtete im Juni 2024, dass RWE sich vor der Zahlung der Wasserentnahmegebühr von 5 Cent pro Kubikmeter drücke - diese ist laut Wasserentnahmeentgeltgesetz vorgeschrieben. Im September 2024 stellte NRW-Umweltminister Krischer klar: "Nach derzeitigem Sachstand ist nicht festzustellen, dass für Entnahmen zum Zwecke der Tagebaurestseenbefüllung einer der gesetzlichen Entgeltbefreiungstatbestände erfüllt ist". Die Wasserentnahme wird RWE über mehrere Jahrzehnte also einige Millionen Euro kosten. Das Geld muss das Land NRW laut Gesetz für Maßnahmen des Gewässerschutzes, zum Beispiel zur Renaturierung von Flüssen, verwenden.

 

Infrage gestellt wird auch, ob die Wasserqualität des Rheins gut genug ist, um damit Grundwasser aufzufüllen. Der BUND fordert eine vorherige Reinigungsstufe, denn das Rheinwasser sei mit vielen Schadstoffen belastet - z.B. mit per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS), auch Ewigkeitschemikalien genannt, aus dem Chemiepark Leverkusen kurz "vor" dem Entnahmebauwerk.

 

Manheimer Boden als Böschungsmasse

Kirche von Manheim am südlichen Rand des ehemaligen Dorfes: Sie soll laut Plänen von RWE erhalten bleiben und als Denkmal am Ufer der späteren Manheimer Bucht stehen. Foto: Ralf Bartsch.
Kirche von Manheim am südlichen Rand des ehemaligen Dorfes: Sie soll laut Plänen von RWE erhalten bleiben und als Denkmal am Ufer der späteren Manheimer Bucht stehen. Foto: Ralf Bartsch.

Auch unter dem Örtchen Manheim südlich des Tagebaus und östlich vom Hambacher Forst lagert Braunkohle. Doch Manheim muss nicht mehr für die Förderung von Braunkohle weichen, denn Deutschland hat den Kohleausstieg beschlossen. Allerdings will RWE die oberen Bodenschichten unter dem Dörfchen nutzen, um die südlichen Tagebau-Böschungen abzuflachen. Andernfalls drohen die Böschungen bei Flutung einzubrechen - eine zu große Gefahr, da dort Badeseen entstehen sollen. Umsiedlung für Böschungsmaterial...

Tagebau Hambach: An der südlichen Abbruchkante ist der Hambacher Forst sichtbar, für den seit 2018 ein Rodungsstopp gilt. Rechts unten im Foto liegt das Dorf Manheim, dessen Untergrund als Bäschungsmaterial dienen soll. Screenshot vom 20.10.2024
Tagebau Hambach: An der südlichen Abbruchkante ist der Hambacher Forst sichtbar, für den seit 2018 ein Rodungsstopp gilt. Rechts unten im Foto liegt das Dorf Manheim, dessen Untergrund als Bäschungsmaterial dienen soll. Screenshot vom 20.10.2024

Ende Gelände: Braunkohleverstromung endet, Energiewende nimmt Fahrt auf

Braunkohle bedeutet Zerstörung von Kulturland, Natur und Wasserhaushalt, bringt Gesundheitsgefahren durch Luftschadstoffe und treibt die Klimakrise an. Nach langem gesellschaftlichen Ringen wurde endlich beschlossen: Die Förderung von Braunkohle in Hambach endet 2029. Die endgültige Stilllegung der verbleibenden Kraftwerksblöcke in Neurath und Niederaußem erfolgt laut Bundesnetzagentur in den Jahren 2029 bis 2033. Aus klimawissenschaftlicher Perspektive ist auch das zu spät. Aber immerhin.

 

Bei der Erzeugung von Strom durch drehende Rotoren von Windrädern wird kein CO2 ausgestoßen und niemand enteignet. Die Eingriffe in die Natur sind im Vergleich zur Braunkohle mini-minimal. In der Kombi aus Windkraft und Solarenergie liegt die Zukunft - Eitorf kann mit einem eigenen Windpark und mit Photovoltaik-Aufdach- und Freiflächenanlagen einen Beitrag zur Energiewende leisten. Denn wer Strom nutzen will, sollte sich auch Gedanken machen, wie und wo er erzeugt wird.